Aileen Murphy | Naked Cheerleaders in My Chest

Deborah Schamoni, Frankfurt

Naked Cheerleaders in My Chest

Aileen Murphy

Yesterday, Daisy Mae and Biff were grooving down the street
And just like in a movie, her hands became her feet
Her belly button was her mouth
Which meant she tasted what she’d speak
But the funny thing is what happened to her nose
It grew until it reached all of her toes
Now, when people say her feet smell, they mean her nose
And curtains laced with diamonds, dear, for you
And kingdom’s Christian sailors, dear, for you
And melting ice cap mountains, dear, for you
And knights in flaming silver robes for you
And bats, that with a kiss turn prince for you

Lou Reed (Andy’s Chest)

 

Aileen Murphy schafft großformatige Gemälde, deren Formate seit ihren frühen Arbeiten ständig wachsen. Die glühenden Pastell- und lebendigen Primärfarben zeugen eindrücklich von den Möglichkeiten im Umgang mit Farbe. Murphys von Gelb dominierte Kompositionen scheinen immer im Begriff, die Grenzen der Leinwand zu sprengen. Ihre innere Kinetik zeugt von Murphys spontanem, frenetischen Arbeitstempo. Die intuitive und eigenwillige Anmutung der Arbeiten entfaltet sukzessiv verschiedene Ebenen von Behauptung und Widerspruch.

Die Bilder zeigen schwebende, oftmals fragmentierte Körper, die sich winden, einrollen und umklammern. In I Have Been Blah Blah schwebt ein gelber Kopf mit blauer Knollennase und blauem Ohr in einem ansonsten leeren Raum. Der Mund scheint zu einem Seufzer verzogen, die Augen sind andächtig geschlossen. In Slapping the Waves, beendet eine Figur mit weit aufgerissenen Augen grinsend und vergnügt einen Tauchgang. Freudvoll strahlt die Arbeit das Vertrauen in die Fähigkeiten des Körpers aus. Zudem spielen körperliche und sinnliche Erfahrungen sowie Töne, Temperaturen, Eindrücke oder luzide Visionen hinein.

Oftmals scheinen die schwebenden Körper ihre Gestalt zu ändern. In Some Children Sound Like Animals gleiten zwei große, rote Ohren auf Schwaden von dunklem Grün und tiefem Blau zu. Auf den zweiten Blick erweisen sich die Wälle und Furchen des Ohres als geöffneter, zähnefletschender Mund. Das Bild suggeriert eine formale Dualität und hinterfragt die Eigenschaften, die diese ausmachen. Die treibenden Formen entpuppen sich wechselweise als Ohren, lachende Gesichter oder gar als Gebärmutter. Solcherlei Mehrdeutigkeit kennzeichnet die Stärke von Murphys Werk und erlaubt es ihr, das Konzept einer Transformation zu hinterfragen.

In einigen Fällen bringt Murphy die Farbe mittels ihrer Finger auf der Leinwand auf, was die frenetisch taktile Wirkung der Arbeiten betont. Dabei schwingt das Bedürfnis mit, einen anderen Körper zu berühren, zu fühlen und eine Beziehung mit diesem einzugehen.

In Red Wine Mousse lehnt sich eine Figur vor einem Hintergrund impulsiv anmutender Fingerabdrücke zurück. Ihr Arm liegt schwer an ihrer Seite, als würde sich die Figur in einem Zustand äußerster Entspannung befinden. Der Kopf auf ihrem üppigen und geschwungenen Körper scheint von einer gespaltenen Zunge oder einer Vagina ersetzt worden zu sein – vielleicht in Anspielung auf ihre hingebungsvolle Art zu küssen. Die Malerei vermittelt ein Gefühl der Vorfreude, wie wir es vor dem lustvollen Verschmelzen von Körpern empfinden.

Als Ganzes betrachtet bilden diese charakteristischen Arbeiten eine karnevaleske Welt voller Überschreitung und Transformation, die der von Lewis Carroll beschriebenen, unterirdischen Enklave aus Alice im Wunderland. gleicht. In dem Buch ist das Grinsen der Grinsekatze omnipräsent. Körper vergrößern sich, schrumpfen und zerfallen in Einzelteile. “Oh, achten Sie doch bitte auf das, was Sie tun!” schrie Alice und sprang zu Tode erschrocken hin und her. “Oh, jetzt ist es hin, sein allerliebstes Näschen!”. Alices sprunghafte Versuche, die Herzogin zu beruhigen, scheinen vergebens, als die Dame schließlich ruft “Hackst den Kopf ihr ab, ja!” (Lewis Carroll, Alice im Wunderland, Sivinco, USA 2010, S. 145). Murphys Gemälde manipulieren unsere Wahrnehmung. Sie erzeugen visuelle Brüche, die die Dinge mal größer oder kleiner, mal näher oder weiter entfernt erscheinen lassen.

Außer den Körpern verändert sich auch die Wahrnehmung von Zeit und Raum. Trusty, Fishy and Turning zeigt ein sich drehendes Rad, das an ein Ziffernblatt erinnert. In dessen Innerem schwebt eine Frau mit roten Lippen und einem roten Herzen vor einem roten Hintergrund. Die glühende Malerei erzeugt ein unbehagliches Gefühl, ihre Hitze suggeriert Verwirrung, Durcheinander und Unordnung. Zwei abgetrennte Arme greifen nach ihrem eigenen Körper. Diese traumartige Separation erinnert an die Groteskenmalerei des belgischen Malers James Ensor, in denen Masken drohen und Skelette tanzen. Xavier Tricot beschreibt in seinem Text Intrigue, , wie Ensor “sich wünschte, eine Welt, gleich der des Karneval, zu schaffen. Hier könnten die von ihm imaginierten Masken ein Eigenleben führen […]. Sein Atelier würde nach und nach zu einem Theaterraum, in dem Masken und Skelette ein vom Künstler geschriebenes und inszeniertes imaginäres Drama aufführen”. (James Ensor, ed. von Luc Tuymans, Royal Academy of Arts, London, 2017).

Auch Murphys Gemälde werden von einer ganzen Reihe tanzender und singender Figuren bevölkert. Die Künstlerin stellt Bewegung und Performance bildnerisch dar, indem sie diese in ihren Malprozess mit einbezieht. Münder, die im Begriff scheinen, etwas zu sagen oder zu einem Seufzer verzogen sind, verleihen Murphys Arbeit eine akustische Qualität. Ächzende und stöhnende Figuren erinnern an Edvard Munchs Der Schrei (1983). In seinen Schriften über Malerei verkündete der schwedische Dramatiker, Autor, Lyriker, Essayist und Maler August Strindberg, dass die menschliche Seele aus ihrer Vereinsamung erwacht sei und die eigene Machtlosigkeit erkannt habe. Er war der Ansicht, dass unsere Seele ihre Verbindung mit dem Transzendentalen eingebüßt habe. Laut Strindberg versuchte Munch eben dieses Gefühl der Isolation und Machtlosigkeit in seiner Arbeit auszudrücken.

Murphys Praxis liegt eine Beschäftigung mit der Conditio Humana zugrunde. So begreift sie die gepeinigte Menschheit als Opfer von Mächten, die diese nicht kontrollieren kann. Während die gefangenen Menschen zu entkommen suchen, stoßen sie einen Angstschrei aus. Aileen Murphys figurativ-abstrakte Gemälde spiegeln die gesamte Skala menschlicher Emotionen und sind daher immer zugleich persönlich und allgemein gültig.

-Ingrid Lyons

 

Naked Cheerleaders in My Chest

Aileen Murphy

Yesterday, Daisy Mae and Biff were grooving down the street
And just like in a movie, her hands became her feet
Her belly button was her mouth
Which meant she tasted what she’d speak
But the funny thing is what happened to her nose
It grew until it reached all of her toes
Now, when people say her feet smell, they mean her nose
And curtains laced with diamonds, dear, for you
And kingdom’s Christian sailors, dear, for you
And melting ice cap mountains, dear, for you
And knights in flaming silver robes for you
And bats, that with a kiss turn prince for you

Lou Reed (Andy’s Chest)

 

Aileen Murphy makes large paintings that have grown in scale substantially since her earlier works. With intense glowing pastels and vivid primaries, they revel in the possibilities of paint. Yellow features predominantly and is an important colour within the compositions that perpetually threaten to burst from the bounds of the canvas. Their scale and the movement within them demonstrate a spontaneous and frenetic pace of activity. And while they appear intuitive and whimsical, they evolve through layers of assertion and contradiction.

The images depict floating bodies, contorting, reclining, curling, clutching and often fragmented. In I Have Been Blah Blah a yellow head looms in an empty space with a bulbous blue nose and a large blue ear. The mouth appears to be mid sigh and the eyes are closed in gentle reverence. In Slapping the Waves, grinning and with eyes popping a figure gleefully completes an underwater dive. In this painting there is a sense of confidence and delight at the capabilities of the body. Murphy’s paintings consider corporeal and sensory experience as they incorporate sounds, temperatures, sensations and lucid visions.

Often, the floating body parts appear to morph. In Some Children Sound Like Animals

two huge red ears drift against swathes of dark green and deep blue. After a moment though, the furrows and ridges of the ear appear as an open mouth bearing its teeth. The image suggests a duality of form and considers the characteristics that define such forms. Drifting shapes are at once ears, laughing faces and even perhaps, wombs. It is the ambiguity of these forms that propels the paintings as Murphy poses questions on the idea of transformation.

In some instances the paint has been applied with fingers, which contributes to the frenetic and tactile nature of the works. This also implies a desire to feel and touch another body and to develop a physical rapport. In Red Wine Mousse a figure reclines against a background of impulsive looking finger marks. Her arm rests heavily by her side as though deeply relaxed. Her body is voluptuous and flowing, her head is a slit-a tongue maybe, or a vagina, as though she might kiss lustfully and passionately. Within this painting, there is a sense of anticipation towards the experience of pleasure in the fusing of bodies.

These peculiar images, when viewed together evoke carnivalesque worlds of transgression and transformation like that of the subterranean enclave described in Lewis Carroll’s, Alice in Wonderland. In the book, the Chesire cat’s toothy grin lingers. Bodies enlarge, shrink and fragment. “Oh, please mind what you’re doing!’ cried Alice, jumping up and down in an agony of terror. ‘Oh, there goes his precious nose!”. Alice’s fitful attempts to calm the Duchess are almost in vain as the lady screams ‘chop off her head’ (Alice in Wonderland, Lewis Carroll, Volume One Publishing, Chicago, Illinois, 1998, p84). In Murphy’s paintings, perception and experience are skewed creating visual disruptions in which things seem bigger or smaller than usual, or to be closer, or further away.

As well as distortions of the body there appears to be a distorted experience of time and space. Trusty, Fishy and Turning depicts a turning wheel and simultaneously conjures the face of a clock. Inside a red-lipped, red-hearted woman floats against a backdrop of red. In this torrid painting, a feeling of unease pervades. The hotness of it suggests, confusion, fluster and disarray. Two sundered arms grope for their own body. This dreamlike disembodiment also evokes the grotesque as presented by Belgian painter, James Ensor in which masks loom and skeletons dance. In his text titled Intrigue, Xavier Tricot described how Ensor ‘wished to create a world like the world of carnival, in which the masks in his imagination could live their own life […] his studio gradually became a theatrical space, with masks and skeletons in every corner playing out an imaginary drama, produced and directed by the artist’. (James Ensor, edited by Luc Tuymans, Royal Academy of Arts, London, 2017).

Similarly, Murphy’s paintings accommodate an array of characters that dance and sing. They both incorporate and depict movement and performance. Mouths on the verge of utterances or mid sigh suggest an audible quality to the work. Characters gasp or groan recalling Edvard Munch’s, The Scream (1893). In his writings on this painting, Swedish playwright, novelist, poet, essayist and painter, August Strindberg announced that the human spirit had awoken from its solitude and found itself without power. He believed that the human spirit had lost touch with the transcendental and that it was this feeling of isolation and powerlessness that Munch expressed in his work.

Within Aileen Murphy’s paintings there is a concern for the human condition. Her work encapsulates the ebb and flow of human emotion-and understands the human race as being tormented, as being subject to forces beyond its control, as being trapped and of the great cry of anguish to try and escape. Melancholy, elation, anxiety and frenzy are implicit in Murphy’s paintings as though they nourish and sustain them.

-Ingrid Lyons

2 February 2018